Die Flucht der Deutschen aus dem Osten und die Integration in der neuen Heimat
von Floris Berg und Max Picker
Im Oktober 1944 begannen die Deutschen in den Ostgebieten zu Millionen zu flüchten. Sie flohen zum Beispiel vor Kampfhandlungen der Roten Armee in die nahe gelegenden Gebirge und kamen nach den Kämpfen wieder zurück in ihre Heimat.
Paula Kretschmers Haus in Neisse Foto: Privatbesitz
Dort angekommen wurden vor allem die Frauen von den russischen Soldaten missbraucht, ausgeraubt und generell schlecht behandelt.
Auszug aus Zeitzeugenbericht : "Die Flucht" von Paula Kretschmer. Sprecherin: Celine Nikelowski Quelle: Privatbesitz
Dies führte unter Teilen der deutschen Bevölkerung zu einer weiteren Fluchtwelle - nun in Richtung Westen.
Allgemeiner Überblick über die Flüchtlingswellen aus dem Osten; vgl Wikipedia; Deutsches Reich in den Grenzen vom 31.Dezember 1937
Parallel zu diesen Fluchtwellen begann zwischen Winter 1944 und Sommer 1945 die systematische Vertreibung der zurückgebliebenden Deutschen.
Dieser Prozess der Vertreibung und dessen Ausmaß wurde 1945 in dem Potsdamer Abkommen festgelegt und von den Siegermächten bekräftigt.
Der durch die Flüchtlingsbewegungen und Vertreibung erreichte Höchststand der Bevölkerungszahl übertraf im Jahr 1950 sogar das Vorkriegsniveau um über 33%.
Auch die Stadt Warendorf hatte 1945 eine Flüchtlingszuwanderung zu bewältigen, die in jeder Hinsicht unvergleichlich ist. Zeitweise lebten mehr Flüchtlinge als Einheimische in der Stadt. Dies zeigt die enorme Leistung der Menschen damals, aber war auch als Chance zu betrachten, wenn Toleranz und Solidarität in der Not ein Gebot der Stunde waren.
Die unmittelbare Fluchtphase dauerte bei vielen Flüchtlingen viele Monate und strapazierte die Menschen bis auf das Äußerste. Alle Eisenbahnverbindungen wurden durch die Front unterbrochen und nahezu alle Fahrzeuge waren bei der Wehrmacht unter Gebrauch. Der Winter traf daher alle Flüchtlinge sehr hart. Auf ihrem Weg gerieten zahlreiche Flüchtende zwischen die Fronten und wurden aufgerieben. Zudem starben Zehntausende an Hunger, Erfrierungen oder durch gezielte Tiefflieger-Luftangriffe der Alliierten. In einer großen Rettungsaktion konnten bis Mai 1945 etwa 1,5 Millionen Zivilisten und ca. 500.000 Wehrmachtssoldaten aus Ostpreußen, Pommern und Kurland nach Dänemark und Schleswig-Holstein evakuiert werden.
Wir haben uns bemüht, die Erlebnisse und Strapazen, die diese Phase für die Menschen damals mit sich brachte, so gut wie möglich zu dokumentieren und stützten uns dabei auf die Erlebnisse von Paula Kretschmer, die sich damals mit ihren vier Kindern über ein Jahr lang mit tausenden Menschen aus Schlesien auf die Flucht begab.
Darüber hinaus sind wir auf die Ankunft und die Integration der Flüchtlinge in der neuen Heimat eingegangen und führen die Problematik der gesellschaftlichen Integration auf. Nach Aussage unserer Zeitzeugen funktionierte die Integration sehr gut, gestaltete sich jedoch in der Anfangszeit, vor allem für Protestanten und in der Schule, schwieriger. So wurden die Flüchtlinge beispielsweise noch lange als “Die von Drüben” oder “Die Pollacken” bezeichnet.
Langfristig gesehen wurden die Flüchtlinge aus dem Osten in Harsewinkel und Umgebung integriert sowie deren Kultur gut angenommen. So gab es beispielsweise einen schlesischen Gesangsverein, der mit altschlesischen Liedern auf dem Heimatabend in Harsewinkel und dem Schützenfest auftrat. Außerdem fanden sich die durch den Krieg getrennten schlesischen Familien durch diverse Angebote, wie dem über das Radio gesendeten “Suchdienst” des Deutschen Roten Kreuz, bei dem sich Angehörige und Vermisste melden konnten, wieder. Josef Kretschmer fand alternativ seine Schwester zufällig beim „Schlesiertreff“ in Verl wieder.
Quelle: Klassenfoto von Gisela Buchmann vor dem Neubau der Marienfelder Volksschule. In der hinteren Reihe rechts: Hauptlehrer Bernhard Walzik, Privatbesitz