Entnazifizierung im Amt Harsewinkel
von Simon Austermann und Denis Cerić
Auf der Potsdamer Konferenz beschlossen die alliierten Siegermächte zwar die gemeinsamen Grundsätze für die politische Säuberung Deutschlands, jedoch wurde die Entnazifizierung aufgrund von unterschiedlichen Politikvorstellungen von Zone zu Zone anders angegangen. Im Oktober 1946 folgten Richtlinien, welche die Behandlung der Nationalsozialisten, der Helfer und der Nutznießer bestimmten. Zur Durchführung der Potsdamer Grundsätze wurden nach dieser Direktive fünf Gruppen gebildet:
- Hauptschuldige
- Belastete
- Minderbelastete
- Mitläufer und
- Entlastete.
In den drei Westzonen wurden bis zum 31. Dezember 1949 2,5 Millionen Menschen von den Spruchkammern, welche hauptsächlich mit Laienrichtern besetzt waren, folgend beurteilt: 54% waren Mitläufer, gegen 34,6% wurde das Verfahren eingestellt, 0,6% wurden als NS-Gegner anerkannt und 1,4% waren Hauptschuldige und Belastete.
Es folgen zwei lokale Fälle der Entnazifizierung von Franz Peter und Bernhard Ohlmeier.
Der Fall Franz Peter
Franz Peter war bereits 1932 in die NSDAP eingetreten, der er bis zum Kriegsende angehörte. Außerdem war er von 1932 bis 1939 Mitglied der Allgemeinen SS, in der er die Funktion eines Unterscharführers bekleidete.
Mitgliedschaften von Franz Peter in NS-Organisationen - Quelle: Landesarchiv NRW. Abteilung Rheinland. Bestand NW 1039, Akte P 02220
Franz Peter war 1906 in Puskappeln in Ostpreußen geboren worden und 1929 von Gütersloh nach Harsewinkel gezogen. Hier arbeitete er zunächst in seinem erlernten Beruf als Stellmacher, später als Schweißer. Von 1941bis 1946 leistete er Kriegsdienst und war in Kriegsgefangenschaft. Danach kehrte er in seinen erlernten Beruf zurück. Er starb 1981 in Harsewinkel.
In seinen Entnazifizierungsverfahren wurde er, obwohl Aktivist der NSDAP und Verantwortlicher für den Überfall auf das Haus der Familie Mendels am 10. November 1938, in die Kategorie der Minderbelasteten eingestuft. Während im Entnazifizierungsverfahren die Denunziation des Vikars Franz Lammerding wegen regimekritischer Äußerungen als nicht erwiesen betrachtet wurde, sah das Schwurgericht Münster im November 1948 diese als erwiesen an und verurteilte Peter wege Verbrechens gegen die Menschlichkeit zu einer dreimonatigen Gefängnisstrafe.
Der Fall Bernhard Ohlmeier
Auch der Greffener Hauptlehrer Bernhard Ohlmeier wurde am Ende seines Entnazifizierungsverfahrens im Jahr 1948 in die Kategorie der Mitläufer eingestuft. Der 1891 geborene Ohlmeier kam nach seiner Ausbildung zum Volksschullehrer 1912 nach Greffen und blieb bis zu seiner Entlassung aus dem Schuldienst im Jahr 1945 an der dortigen Volksschule, seit 1935 als Hauptlehrer in der Funktion des Schulleiters.
Die Greffener Volksschule, an der Bernhard Ohlmeier unterrichtete; um 1930. Foto: Stadtarchiv Harsewinkel
Eintragung für Bernhard Ohlmeier und seine Frau im Greffener Hausregister aus dem Jahr 1912. - Quelle: Stadtarchiv Harsewinkel, Bestand Meldeamt, Nr. 7
Nach seiner Entlassung aus dem Schuldienst im Frühjahr 1945 erfolgte seine Inhaftierung zunächst in Lüdinghausen und dann im Internierungslager Staumühle. Erst 1947 wurde er wieder in den Schuldienst eingestellt und 1950 sogar zum Rektor der Schule befördert. Er starb drei Jahre nach seinem Eintritt in den Ruhestand am 11. Oktober 1960.
Während seines Entnazifizierungsverfahrens erhielt er noch Unterstützung von vielen Greffenern, die ihm mit Erklärungen, dass er kein überzeugter Nationalsozialist gewesen sei, sog. Persilscheine ausstellten.
Erklärung Ferdinand Lowegs vom 1. August 1946 zu Gunsten von Bernhard Ohlmeier. - Quelle: Landesarchiv NRW, Abt. Rheinland. Bestand NW 1039, Akte O 515
Zu der großen Zahl an Leumundszeugnissen für Bernhard Ohlmeier gehörte auch eine Erklärung von Ferdinand Loweg. Diese war besonders wertvoll, da Loweg wegen seiner jüdischen Mutter während des NS unter Verfolgung zu leiden hatte.
Bis in die späten 1970er-Jahre hatte sich die Sichtweise auf die Person von Bernhard Ohlmeier jedoch gewandelt: Noch Ende 1977 stimmten der Ortausschuss Greffen und der Harsewinkeler Stadtrat ohne große Diskussion einem Vorschlag zu, die Schulstraße in Ohlmeierstraße umzubenennen.
Schulstraße soll jetzt Ohlmeierstraße heißen. Bericht aus der Zeitung Westfalen-Blatt vom 8. November 1977 - Quelle: Stadtarchiv Harsewinkel, Akte D 57
Im November beschloss der Ortsausschuss Greffen, die Schulstraße in Ohlmeierstraße umzubenennen und damit den ehemaligen Rektor der Greffener Volksschule zu ehren. Auch der Rat der Stadt Harsewinkel stimmte diesem Vorschlag zu.
Dagegen regte sich dagegen so heftiger Widerstand, dass der Ausschuss und der Stadtrat ihre Entscheidungen Anfang 1979 aufhoben und es bei dem Namen Schulstraße blieb..
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Auszug aus dem Protokoll der Sitzung des Ortsausschusses Greffen vom 21. Mai 1979 - Quelle: Stadtarchiv Harsewinkel, Akte D 57
Den Protesten gegen die Umbenennung gab der Ortsausschuss Greffen im Mai 1979 schließlich nach. Die Umbenennung in Ohlmeierstraße erfolgte nicht. Auch der Rat der Stadt Harsewinkel schloss sich diesem Sinneswandel an. Insbesondere Ohlmeiers Rolle als Führer des Volkssturms in Greffen war ausschlaggebend für diesen Sinneswandel.
Download der Projektarbeit