Der 2. Weltkrieg und dessen Ende in Harsewinkel
von Daniel Berg und Richard Esau
Während des 2. Weltkriegs wurden im Amt Harsewinkel 613 Spreng-, Brand- und Phosphorbomben abgeworfen. Die meisten Bomben verursachten aber nur Flurschäden. Nur in den letzten Kriegsmonaten wurden in Harsewinkel und Marienfeld je ein Haus völlig zerstört und sieben schwer beschädigt. Viele Angriffe galten dem Flughafen Gütersloh und der südlich der Landstraße Harsewinkel - Gütersloh angelegten Rollbahn für den Flughafen.
Luftbild der Rollbahn in Marienfeld. Foto: Stadtarchiv Harsewinkel
Südlich der heutigen B 513 in der Hohen Heide wurde während des Krieges die Rollbahn angelegt, auf der die Flugzeuge des Gütersloher Flughafens abgestellt wurden, wenn sie nicht im Einsatz waren. Auf den Feldern sind die Krater von Bombenabwürfen als helle Punkte deutlich zu erkennen. Die Straßenkreuzung am nördlichen Bildrand ist die Kreuzung B 513 / Heckerheide.
Folgenschwerster Angriff war der Bordwaffenbeschuss eines in der Nähe des Bahnhofs Marienfeld stehenden Personenzuges der Teutoburger-Wald-Eisenbahn, bei dem vier Menschen, darunter zwei Kinder, ums Leben kamen. Des weiteren wurden 22 Menschen verletzt.
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Sterbeurkunde von Hermann Wolf . – Quelle: Stadtarchiv Harsewinkel. Bestand Standesamt, Sterbeurkunden: Sterberegister 1944/1945.
Alle getöteten Fahrgäste kamen nicht aus Harsewinkel, der zehnjährige Hermann Wolf aus Herford war das jüngste Opfer.
Darüber hinaus kam es auch zu Flugzeugabstürzen im Amtsbezirk Harsewinkel, dabei handelte es sich sowohl um deutsche Maschinen, als auch um Flugzeuge der Alliierten. Sechs Tote forderte der Absturz einer britischen Maschine am 9. Oktober 1943 in der Marienfelder Bauerschaft Remse und fünf Tote der Absturz eines weiteren britischen Flugzeugs in Greffen am 22. Oktober 1943.
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Wrack des am 22. Oktober 1943 in Greffen abgestürzten Lancaster-Bomber. – Foto: Heinrich Lüffe-Baak (Stadtarchiv Harsewinkel)
Das Foto gehört zu den wenigen bis heute überlieferten Quellen, die das militärische Geschehen in Harsewinkel dokumentieren.
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Spielende Kinder an den Resten des Wracks des Lancaster-Bombers. – Foto: Heinrich Lüffe-Baak (Stadtarchiv Harsewinkel)
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Schaulustige am Wrack des Lancaster-Bombers – Foto: Heinrich Lüffe-Baak (Stadtarchiv Harsewinkel)
Die große Zahl der Schaulustigen weist darauf hin, dass der Absturz ein durchaus aufsehenerregendes Ereignis war
Neun von zehn Besatzungsmitglieder überlebten am 13. Mai 1944 den Absturz eines amerikanischen Flugzeugs; ein Besatzungsmitglied kam ums Leben, weil sich der Fallschirm nicht öffnete.
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Bericht des Harsewinkeler Amtsbürgermeisters Heinz Kollas an den Kommandanten des RAF Squadrons 5023 – Quelle: Stadtarchiv Harsewinkel, Akte C 13, Band 1
Am 5. Oktober 1945 schickte die Harsewinkeler Amtsverwaltung den britischen Militärbehörden eine Aufstellung über die Abstürze alliierter Flugzeuge in Harsewinkel mit genauen Angaben zum Absturzort, -zeitpunkt und zu den Opferzahlen.
Beide Abstürze waren Folgen von Luftkämpfen in der Schlussphase des Krieges: der Absturz eines deutschen Flugzeuges am 23. Januar 1945 und des britischen Bombers am 22. Februar 1945.
In der Karte unten sind die Absturzstellen markiert. Klicken Sie mit dem Mauszeiger vor den Text bei den Absturzstellen, um weitere Details anzeigen zu lassen.
Kartenausschnitt: © OpenStreetMap contributors
Das Kriegsende in Greffen
Über das Ende des 2. Weltkriegs in Greffen unterrichtet nur die Darstellung des Greffener Hauptlehrers Bernhard Ohlmeier, der zugleich Kommandeur des örtlichen Volkssturms war. Sein Bericht ist kritisch zu lesen, da Ohlmeier NSDAP-Mitglied war. Die Darstellung kann auch als Versuch gelesen werden, seine Rolle am Kriegsende herunterzuspielen.
Bernhard Ohlmeier (1891 – 1960) in der Uniform des Leiters der Flugwache (Flak-Stellung) Greffen. - Foto: Stadtarchiv Harsewinkel
Ohlmeier war seit 1912 Lehrer an der Greffener Volksschule und wurde 1934 als Hauptlehrer deren Leiter. Erst nach seiner Entnazifizierung kehrte er in den Schuldienst zurück.
Danach wurde am Ostersonntag, den 1. April 1945, an der Beelener Straße eine Panzersperre errichtet und die Emsbrücke gesprengt, um das Vorrücken der amerikanischen Truppen zu verhindern. Als die Panzer an der gesprengten Brücke ankamen, wichen sie nach Westen aus, überquerten die Ems an der Brambrücke und kehrten dann zur Beelener Straße zurück. Ein anderer Trupp überquerte die Ems an der Neuen Mühle. Nach kurzen Schusswechseln mit der SS drangen die amerikanischen Truppen bis 20:30 Uhr über die enge Straße in das Dorf vor, wo sie ihr Nachtlager aufschlugen.
Die Hauptstraße in Greffen – Foto: Heinrich Lüffe-Baak
Die Häuser auf der linken Seite gehören zur Bebauung des Kirchplatzes. Dass Bild zeigt die enge und verwinkelte Straßenführung.
Bernhard Ohlmeier: Das bittere Ende – Quelle: Bernhard Ohlmeier: Beiträge zur Heimatkunde der Gemeinde Greffen. Band 2. Zusammengestellt von Bernhard Ohlmeier.[= Stadtarchiv Harsewinkel. Depositum Ohlmeier, Nr. 2]
In seinen handschriftlichen Bänden zur Greffener Ortsgeschichte, die zur öffentlichen Nutzung bestimmt waren, stellte der Greffener Rektor ausführlich seine Sicht auf die Ereignisse am Ende des 2. Weltkriegs dar. Der Bericht ist vermutlich Ende der 1940er- oder Anfang der 1950er-Jahre entstanden.
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Transkription Bernhard Ohlmeier: Das bittere Ende
Erste Wochen nach dem Kriegsende
Die ersten Tage und Wochen nachdem die Amerikaner eingetroffen waren, gingen im Amt Harsewinkel mit Angst und Ungewissheit für die Zivilbevölkerung vorüber. Zu den Hausdurchsuchungen, Räumungsbefehlen und Beschlagnahmungen kamen noch die Überfälle auf Bauernhöfe durch befreite Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene. Da die örtliche Polizei als Ordnungsmacht weitestgehend ausfiel, gingen die Landwirte nachts gemeinsam Streife und verständigten sich bei drohender Gefahr durch akustische Signale. Tatsächlich sind aber nur wenige Überfälle in den Akten dokumentiert, die insgesamt zwei Todesopfer forderten, so der Überfall auf den Hof Schulenburg in der Bauerschaft Überems am 31. Juli 1945.
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Sterbeurkunde von Anna Catharina Schulenburg – Quelle: Stadtarchiv Harsewinkel. Bestand Standesamt, Sterbeurkunden: Sterberegister 1944/1945.
Am 31. Juli 1945 kam die 54-jährige Anna Catharina Schulenburg bei einem Überfall auf den Hof ihrer Familie in der Bauerschaft Überems durch einen Schuss in die Halsschlagader ums Leben.
Fazit
Das Kriegsende war für die Einwohner Harsewinkels eines der schwierigsten Ereignisse ihres Lebens. Bombenanschläge, Flugzeugabstürze und die ständige Angst prägten den Alltag. Kaum wog man sich in Sicherheit, da ereignete sich der nächste Zwischenfall. Erst nach dem Untergang des NS-Regimes und vielen Besatzungswechseln fanden die Harsewinkler wieder in den Alltag zurück.
Wie auch in anderen kleinen Städten gab es in Harsewinkel von der Bevölkerung kaum Widerstand. Nur einige SS-Männer, die sich in Harsewinkel befanden, attackierten die Aliierten, indem sie einen amerikanischen Panzer mit einer Panzerfaust zerstörten. Die Ankündigung der SS, dass Harsewinkel wahrscheinlich vollständig zerstört werde, traf somit nicht ein. Viele Menschen waren am Ende erleichtert, als die Amerikaner kamen. Einige hatten aber auch Angst, da die Zukunft ungewiss war und es Gerüchte gab, nachdem Deutschland in ein Agrarstaat transformiert werden sollte (bekannt als Morgenthau Plan).
Es gab in Harsewinkel keine verheerenden Schäden, die auf Bombardements zurückzuführen waren. Problematisch waren vor Ort eher die zahlreichen Raubüberfälle, die den Menschen zu schaffen machten. Knappe Nahrungmittel und Kohlemangel waren Folgen des Krieges, aber hier war Harsewinkel nicht so stark betroffen. Es waren einzig und allein die Erfahrungen und persönlichen Gefühle, die immer in Erinnerung blieben und bleiben werden.
Download der Projektarbeit